Training und seine Auswirkungen genauer betrachtet: ein Bespiel aus der Tennisrealität

Timo Müller – Trainer der Tennisschule „Westwood Tennis“ – über eine Erfahrung beim Training und eine Philosophie, die sich daraus entwickelt hat:

„Seit 30 Jahren spiele ich aktiv Tennis und verfüge dabei über 20-jährige Trainererfahrung. Meine Ausbildungen und Qualifikationen, zuerst als DTB-C- und darauffolgend die DTB-B-Trainerlizenz, habe ich im WTV (Westfälischer Tennisverband) erworben. In dieser Zeit habe ich zahlreiche Trainer kennengelernt, kaum zählbare Trainerstunden und vielen Trainingseinheiten mitgemacht. Vom Clubtraining, das ich geleitet habe bis zum Leistungskadertraining, bei dem ich hospitierte.

Vor einigen Jahren trainierte ich eine männliche Jugendmannschaft U12. Die Jungs trainierten einmal pro Woche. Auf dem Nebenplatz trainierten zwei Jungs im gleichen Alter, denen ich mehrfach in der Wintersaison in der Halle zusah. Sie trainierten harte Drills, schlugen die Bälle flach und schnell. Es sah wirklich gut aus. Derweil trainierte ich mit meinen Jungs Übungsformen, in denen die Kids sich gegenseitig in Defensivzonen bringen sollten. Die Übung funktionierte nicht besonders gut, die Kinder waren jedoch fleißig und mit Eifer dabei. In einer Trinkpause bemerkte ich, wie die Jungs dem Training auf dem Nebenplatz ehrfürchtig zuschauten. Schließlich ereignete sich folgendes Gespräch zwischen uns:

„Timo, wie würde ich gegen einen von den Jungen spielen?“ Ich schaute rüber auf den anderen Platz und antwortete: „Ich denke, du würdest 6:4/6:2 gewinnen.“ Die Jungs brachen in Gelächter aus und dachten, ich hätte einen Witz gemacht. Daraufhin fragte ich die Jungs, warum sie lachen würden? Die Antwort war einstimmig: „Schau mal, wie hart die den Ball schlagen! Schau mal, wie schnell die sich bewegen!“ „Ja, das stimmt“ sagte ich. „Jetzt schaut euch mal an, wie viele Bälle übers Netz gehen und auch ins Feld gespielt werden. Und schaut mal, ob die Jungs, die hart und schnell spielen, die Bälle eher weit hinter der Grundlinie oder auch mal im Feld zurückschlagen müssen.“

Gemeinsam analysierten wir danach den weiteren Verlauf der Trainingseinheit auf dem Nebenplatz. Einige Wochen später spielte einer der Jungs, die ich trainiert habe, in einem offiziellen Turniermatch gegen einen von den Spielern, die hauptsächlich hart und schnell spielten. Der Junge, der bei mir im Training war, gewann 7:5/6:2 …

Damit möchte ich nicht sagen, dass ich etwas gegen aggressive Drills oder offensives Tennis habe. Dennoch glaube ich, dass im Trainingsalltag viel mehr zwischen Leistungstraining (3 bis 5 Einheiten pro Woche) und Breitensporttraining (1 bis 2 Einheiten pro Woche) unterschieden werden sollte.

Da wir uns als Clubtrainer sehen und unsere Schüler in der Regel ein- bis zweimal pro Woche trainieren, basiert unsere Philosophie zunächst zu ca. 70 % auf dem „spielorientierten Ansatz“. Ziel ist es, die Kinder vorrangig „matchbereit“ zu machen. Das bedeutet:

– Sie sollen Aufschlagen und returnieren können.
– Sie sollen die Bälle erst einmal sicher ins Feld spielen können.

 

Vor einigen Jahren hatte ich die Ehre, Edouard Samuel (ehem. Verbandstrainer Rheinland-Pfalz/Saarland) kennenlernen zu dürfen.

Während einer Einheit sagte er etwas, das mir im Gedächtnis blieb:

Tennis ist ganz einfach:
1. Spiel den Ball übers Netz und ins Feld.
2. Spiel den Ball übers Netz und ins Feld, rechts oder links bzw. kurz oder lang. Wenn du das sicher schaffst, spielst du schon sehr, sehr gut.
3. Spiel den Ball übers Netz und ins Feld, rechts oder links bzw. kurz oder lang und schnell. Wenn du das sicher schaffst, bist du Profi.

Für leistungsorientiertere Spielerinnen und Spieler (drei- bis fünfmal pro Woche) wird individuell an allen tennisspezifischen Aspekten des Sports gearbeitet.

Abgesehen vom Tennistraining möchten wir den Kindern eine wertvolle Einstellung für die Zukunft vermitteln:
– Streng dich an und gib dein Bestes! Wenn du nicht 100 % gibst, solltest du lieber zu Hause bleiben. Das wäre unfair gegenüber allen, auch deinem Gegner.
– Sei fair! Beschummeln funktioniert nicht nur beim Tennis nicht gut. Klare Frage: Wie willst du wissen, ob du auch ehrlich gewonnen hättest?
– Behandle deinen Gegner mit Respekt! Es ist egal wie gut oder wie schlecht jemand spielt. Jeder verdient Respekt, ganz gleich wie oder wer sie oder er ist.

Ein tolles Beispiel für Tenniseltern

Alex Corretja (ehemaliger Nummer 2 der ATP-Weltrangliste) wurde gefragt, welche Rolle seine Eltern in seiner Tennisentwicklung gespielt haben:

Nach dem Match fragten meine Eltern mich immer:

– Hast du dich während des Matches gut verhalten?
– Hast du alles versucht, um zu gewinnen?
– Hast du gut gespielt?
– Hast du gewonnen?

Ich glaube, dass seine Eltern die richtige Reihenfolge beachtet haben!